Im Portrait: Matthias Keller

Hallo Amigos,

Matthias Keller

diesmal im Portrait: Matthias Keller. Matthias ist nicht nur unser kongenialer Erzähler und Kommissar Tappert in Personalunion, sondern war außerdem ein wichtiger Geburtsthelfer der Ferienbande-Live-Shows. Als Mitglied der Hardcore-Acapella-Truppe „Die U-Bahn-Kontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern“ macht er seit über 20 Jahren die Bühnen der Republik unsicher und ist zusätzlich mit eigenen Solo-Lesungen und -Singungen unterwegs. Ausserdem arbeitet er seit Jahren hauptberuflich als Sprecher und hat mit seiner wohlig-bassigen Stimme unzählige Hörbücher und Hörspiele vertont. Hessische Hörer kennen ihn vielleicht auch noch als die Station Voice von hr1. Alles über Matthias gibt es hier: http://www.solomatt.de.

(1) Wie kamst Du zur Ferienbande?

Eigentlich kam die Ferienbande zu mir in Gestalt von Autorin Katrin Wiegand. Sie ist eine große Fanin der Comedy a cappella Band „U-Bahn Kontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkeidern“, bei der ich auch mitmache. Katrin sprach mich nach einem Konzert an und dann gingen wir erstmal ins Hotel und ich bot ihr Crystal Me..okay, es war ein Glas Hagebuttentee im Foyer des Veranstaltungsortes. Katrin wusste, dass ich Profisprecher bin und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, Erzähler bei so einem schrägen Comedyhörspiel zu sein. Sie schickte mir die Radio-Kurzversionen und nachdem ich die gehört hatte, gab es für mich kein Halten mehr. Da war so viel Witz, Liebe zum Detail und Sorgfalt zu hören, ganz viel Potenzial. Da war eindeutig mehr drin als nur eine schnelle Schnappsidee. Ich fühlte mich – und das ist wirklich keine Schleimerei – privilegiert, dabei zu sein und das geht mir heute noch so.

(2) Wie war Deine eigene Hörspielsozialisation?

Mit bereits zwei Jahren hing ich gebannt vor dem rauschenden Tonbandgerät meines Vaters. Er hatte viel aus dem Radio aufgenommen, Musik und Hörspiele. „Lok 1414 geht auf Urlaub“, „Der Frosch mit der Trompete“, „Pole Poppenspäler“ und dergleichen mehr. Ich liebte mein „Dummbann“. Wenn ich nicht gerade mit dem Auswendiglernen der Hörspiele beschäftigt war, quakte ich gerne selber in das rasierapparatartige Mikrofon. Meine erste Hui Buh Platte bekam ich mit 7, es gibt eine Tonbandaufnahme von mir, wie ich diese nachspiele (mit Kasperlepuppeneinsatz). Ich erinnere mich noch an das gruselige Hörerlebnis von ??? Folge 10 (Das Gespensterschloss) im abgedunkelten Zimmer mit meinen Kumpels und an den seltsamen Namen in der Sprecherliste „Jens Wawrczek“. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich, wenn ich mal groß bin, auch Sprecher werde und gemeinsam mit Jens mal auf der Bühne stehen werde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Die Stimmen von Oliver Grimm als Kimba, der Weiße Löwe und von Christian Brückner als Tarzan, Herr des Dschungels waren der magische Sound meiner Kindheit. Besonders freute ich mich immer, wenn ich Stimmen in Hörspielen oder Filmen wiedererkannte und die Namen der Sprecher schon vor meiner großen Schwester wusste. Mit ihr habe ich während langer Autobahnfahrten auf der Rückbank des zitronengelben Ford Taunus meiner Eltern regelrechte Hörspielbattles gefochten und u.a. den kompletten „Sängerkrieg der Heidehasen“ und „Wie der kleine Schlumpf schwarz wurde“ nachgespielt (Gnagnagnagnagnag). Meine spätere Jugend war neongrün und neonpink gefärbt durch die EUROPA Gruselserie. Ganz großer Favorit: Die tödliche Begegnung mit dem Werwolf. Da haben die Sprecherinnen der bösen Spinne Thekla aus Biene Maja (Katharina Brauren) und der ätzenden Gräfin Etepetete aus Hu Buh (Gisela Trowe) mal endlich selber ordentlich Schiss gehabt als vom Werwolf terrorisierte Seniorschwestern. Ganz großes Kino, ich hatte echt Schiss damals.

(3) Welche Deiner Projekte der letzten Zeit liegen Dir besonders am Herzen und warum?

Ich mag mein aktuelles Soloprogramm „Loopinsland“ sehr gerne, weil ich hier alles miteinander kombinieren kann, was mir Spaß macht: Sprache, Musik, Entertainment, Handpuppen und technische Spielerei. Besonders gerne mutiere ich zur Balkan-Brass Band und spreche mit mir selbst im Dialog. Die Loopstation ist genau das richtige Spielzeug für mich.

Vor einigen Wochen habe ich ein sehr tolles Hörbuch einsprechen dürfen: „Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens“ von Sebastian Niedlich. Es geht um einen Jungen, der am Sterbebett seiner Großmutter den Tod trifft. Die beiden freunden sich an und erleben im Laufe des Romans eine recht wilde Achterbahnfahrt der Emotionen. Ich mag es sehr, wenn ein ernstes Thema geistreich und humorvoll behandelt wird und das ist Sebastian Niedlich meiner Meinung nach großartig gelungen. Im Dezember bin ich für sein nächstes Werk im Studio „Und Gott sprach, es werde Jonas“. Da freu ich mich schon sehr drauf.

(4) Du bist ein sehr umtriebiger Sprecher, Sänger & Performer – ist diese Mischung Absicht oder Zufall?

Ich würde sagen, es ist alles auf natürliche und gesunde Art über Jahre gewachsen, weil es nicht geplant war. Ich hatte zwar als Kind den Traum, Sprecher zu sein und auf der Bühne zu stehen, aber es war niemals ein ernsthaft angestrebtes Berufsziel. Und doch glaube ich, dass mich dieser Traum instinktiv in die richtige Richtung gelenkt hat. Ich hatte zum richtigen Zeitpunkt einfach die richtigen Antennen, habe Umwege gemacht und Erfahrungen gesammelt und so kam eines zu anderen. Insofern sind sowohl Absicht als auch Zufall beteiligt.

(5) Was macht eigentlich mehr Spaß – der Erzähler oder Kommissar Tappert?

Also, wenn ich mir den gerade erschienenen krass üblen Rächer anhöre, muss ich eindeutig sagen: Beides 🙂